Das Verschwinden Zeichnen

©Bonnert

Ein leerer Platz. Verschwinden, das kommt mir so ganz schnell vor, dass ganz schnell was verschwindet. Pfüüüh, weg ist es. Dass vergessen wird, dass es weg ist. (Auszug aus einem Interview)

Was ist, wenn etwas ausgelöscht wird und nur die Erinnerungen bleiben, das Gebäude zum schwarzen Fleck wird und der Platz zur leeren Fläche? In ihrer Installation Das Verschwinden zeichnen beschäftigt sich die Künstlerin Sarah Bonnert parallel zum aktuellen Abriss des Technischen Rathauses mit dessen Verschwinden. Die seit Jahren geführte Debatte um die Frankfurter Altstadt ist emotional, das Technische Rathaus ist als Funktionsbau hingegen nicht emotional besetzt. Das Verschwinden zeichnen ist der Versuch gerade diesem Gebäude sehr persönlich zu begegnen. Durch Live-Fotoentwicklung wird für einen kurzen Moment zurück geholt, was es seit Januar 2010 in seiner Ursprungsform nicht mehr gibt und dessen Verschwinden täglich voranschreitet. Das Bild ist jedoch ein flüchtiges. Es existiert nur für einen kurzen Augenblick. Durch Weiterbelichten des Fotopapiers beginnt sich das Gebäude zu verschleiern. Langsam wechselt es von Grau in Schwarz. Es bleibt nur ein schwarzer Fleck, eine gähnend leere Fläche.

Neben Entwicklung und Zerstörung des Bildes ist in Form einer Tonspur eine Auseinandersetzung mit dem Abriss des Technischen Rathauses und dem Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt zu hören. Der Text, entstanden aus Interviews, die die Künstlerin seit 2009 geführt hat, wird fragmentarisch durch die Stimme des Sprechers Malte Scholz wiedergegeben. Die Stimme tritt in einen Dialog mit sich selbst. Sie nimmt Position und Gegenposition ein. Widerlegt sich selbst. Tritt in Widerstreit. Ein individueller Zugang zu dem Abriss und der Neubebauung soll geschaffen werden. Es sind die persönlichen Geschichten, die interessieren. Unter die Sprache mischen sich Geräusche der Baustelle: Schritte, Klänge, Rauschen und die Stimmen der Interviewpartner. Der Prozesscharakter der Fotoentwicklung gibt dem Ganzen einen Rahmen. Durch sie wird der Kreislauf vom Werden und Vergehen des Bauwerks thematisiert.

Durch Das Verschwinden zeichnen wird ein Erinnerungsprozess in Gang gesetzt, bevor das Gebäude ganz verschwunden ist. Die Installation spielt mit der Dialektik von Verschwinden und Erinnern. Das Entschwundene und Vergessene kehrt zurück als zu Erinnerndes, nicht in der Gestalt des Werkes selbst, sondern im Gedächtnis des Betrachters. Erst die Entfernung des Technischen Rathauses hat es wieder ins Bewusstsein gerufen und ihm als Abwesenden Präsenz verliehen. Die Arbeit wird zum Nachruf, zum Requiem.

KONZEPT/ UMSETZUNG: Sarah Bonnert

TON: Sarah Bonnert, Björn Deigner, Christian Fleissner

SPRECHER: Malte Scholz

VIDEO: Sarah Bonnert, René Liebert

ASSISTENZ: Karolin Back

PRESSE:

” … Täglich veranstaltet Bonnert um 19 Uhr eine „Installation“: Stimmen von 15 Frankfurtern werden zusammen mit rhythmischem Baulärm zu einer Klangcollage, in der über den Abbruch und den Aufbruch des neuen alten Frankfurt nachgedacht wird. In dem kleinen Raum, in dem die Besucher dem lauschen, geben nur eine rote Birne, die von der Decke hängt, und eine zweite rote Birne hinter einem Glasfenster (ein Meter mal 80 Zentimeter) etwas Licht.

Dann jedoch geschieht etwas anderes: Ein Rahmen mit einem Stück Stoff wird in den Fensterrahmen hinabgelassen wie ein Vorhang. Weitere Rotlicht-Lampen gehen an, erhellen den Stoff von hinten. Im Verlauf von etwa 20 Minuten wird, anfangs begleitet von den Aussagen der Frankfurter, auf dem Stoff ein Foto entwickelt – das Technische Rathaus.

Zart schälen sich die Konturen des Bauwerks aus Beton aus dem Grau des Stoffs, werden deutlich und deutlicher, bis sie zum Schluss, nachdem das Bild im Aquarium aus Entwicklerflüssigkeit bleibt, dunkler und schließlich wieder schwarz werden. Schwarz in schwarz: Das Bild ist überentwickelt, das Rathaus ist tot – zerstört vor Zeugen. …“

Thomas J. Schmidt, Frankfurter Neue Presse, 12.Januar 2011, S.12.

Mit freundlicher Unterstützung durch die Evangelische Stadtakademie Römer 9, das Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, die Hessische Theaterakademie und Ilford